Audioandacht zum Gründonnerstag

Nachfolgend finden Sie eine Audioandacht von Vikarin Friederike Wöhler. Der Beitrag wird eingerahmt von dem Choral „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen“, EG 81, gespielt von Reinhard Gräler.

Audioandacht zum Gründonnerstag von Vikarin Friederike Wöhler

Gründonnerstag ist der Tag des Abschieds Jesu von seinen Jünger*innen. Es ist auch der Tag der Einsetzung des Abendmahls.
Unter normalen Umständen wird an diesem Tag gemeinsam Abendmahl gefeiert.  Manchmal wird nicht nur Brot und Wein geteilt, sondern da gibt es eine ganze Mahlzeit und man sitzt zusammen mit der Gemeinde an einer gut gedeckten Tafel. Das ganze Abendessen ist Teil der Feier des Gründonnerstags. Wenn Menschen so miteinander die Mahlzeit teilen, erinnern sie an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jünger*innen.
Heute müssen wir auf beides verzichten – das gemeinsame Beisammensein und das Abendmahl. Das schmerzt. Wie gerne würde ich mit Ihnen gemeinsam bei Tisch sitzen und plaudern und wie gerne würde ich gemeinsam mit Ihnen das Abendmahl feiern!
Dennoch möchte ich Sie einladen, mit mir über die Bedeutung nachdenken:
Was bedeutet es, mit jemand anderem den Tisch und eine Mahlzeit zu teilen?
Wer sich mit Anderen zum Essen an einen Tisch setzt kommt ihm nahe und schenkt ihr Vertrauen. Sie schenkt der Anderen Zeit und Aufmerksamkeit.
Wer zum Essen eingeladen wird, wird beschenkt mit einer (wahrscheinlich guten) Mahlzeit – und mit der Gesellschaft des Gegenübers. Wer jemanden zum essen einlädt, ist bereit, den Tisch, das Essen und die Zeit zu teilen.

Jesus verabschiedet sich mit dem Mahl von seinen Jünger*innen. Er ahnt bereits, dass er und seine Jünger*innen nicht mehr lange die gewohnten Nähe zueinander haben werden.
Seinen Jünger*innen schenkt er noch einmal Aufmerksamkeit und teilt mit ihnen Brot und Wein. Gleichzeitig gibt er ihnen eine Strategie an die Hand. Er sagt ihnen: Behaltet das bei, auch wenn ich nicht mehr bei euch bin. „Solches tut zu meinem Gedächtnis“ heißt es.

Eine Mahlzeit stärkt. Sie gibt uns Kraft für die nächsten Schritte.
Ich denke auch daran, wie es ist, mit Freunden oder der Familie zusammen zu essen: Da entwickeln sich Gespräche. Man teilt Geschichten. Man genießt gemeinsame Zeit. Man lacht zusammen. Gemeinschaft stärkt und verbindet – auch wenn die Geschichten nicht immer witzig sind und nicht nur gelacht wird. Am Esstisch können auch Probleme besprochen werden. Schwierigkeiten in der Schule, Stress mit Kolleg*innen am Arbeitsplatz. Und es tut gut, wenn einem jemand zuhört. Vielleicht gibt es auch den einen oder anderen guten Rat und ein stärkendes Wort.

An der Stelle, an der bei den anderen Evangelien das Abendmahl eingesetzt wird , stehen im Johannesevangelium die Abschiedsreden Jesu. In den Abschiedsreden kündigt Jesus den Jüngern an, dass er sie verlassen wird.
Jesus wird zwar in Zukunft nicht mehr in persona mit seinen Jünger/innen gemeinsam an einem Tisch sitzen, aber die Verbindung zu ihm bleibt. Er sagt:„Ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit (…).“ (Joh. 14,16f.)

Der Heilige Geist hat die Jünger*innen mit Jesus Christus verbunden und er verbindet auch uns mit ihm. Wir können heute nicht mit Jesus in Person an einem Tisch sitzen, wie die Jünger*innen . Und in diesen Zeiten können wir nicht einmal an Gründonnerstag miteinander an einem Tisch sitzen. Aber durch den Geist wird jede/jeder Einzelne auch mit anderen Christ*innen verbunden.
Die Kraft des Geistes ermöglicht Gemeinschaft.
Christliche Gemeinschaft – auch die Abendmahlsgemeinschaft – wird erst durch den Heiligen Geist möglich.
Der Heilige Geist ist ein verbindende, bewegende und ermöglichende Kraft.
Diese Kraft muss nicht unbedingt ein ominöses Medium sein. 
In Bezug auf den Menschen kann man sie – salopp formuliert –  vielleicht mit dem Teamgeist vergleichen – das was eine Gemeinschaft antreibt und zusammenhält.

Ich bemerke momentan eine besondere Form von Gemeingeist.
Ob in Jordanien oder Norwegen, in Indien, Spanien oder Chile: das Anliegen, die Krankheit effektiv einzudämmen teilen wir mit der ganzen Welt! Grenzübergreifend werden französische und italienische Patient*innen in Deutschland behandelt. Hilfsgüter kommen aus anderen Ländern.
Aus aller Welt kommen Tipps, wie man sich in Zeiten sozialer Isolation am besten verhalten sollte.
Zwar sind die Grenzen geschlossen, aber die Solidarität ist noch da. Ähnlich ist es im persönlichen Umfeld: Obwohl physische Nähe nicht möglich ist;  Hilfsbereitschaft und Solidarität sind da. Und das ist wichtig.
Wir sind miteinander verbunden. Und wir sind auch mit Jesus Christus verbunden durch den Heiligen Geist.

Ich möchte diese Gedanken mit einem Gebet abschließen:
Gott, schenke uns deinen Heiligen Geist.
Lass uns die Verbundenheit miteinander spüren und zeig uns Wege,
wie auch wir andere spüren lassen können, dass sie nicht allein sind.
Amen.

(Von Vikarin Friederike Wöhler)