Mit dem Sonntag Palmarum beginnt die Osterwoche. Als Jesus in Jerusalem einzieht, herrschen Begeisterung und Aufbruchsstimmung. Die Menschen rufen „Hosianna“ und begrüßen den Mann auf dem Esel mit grünen Zweigen. Sie erwarten einen Retter, der das Blatt für sie wenden wird. Jesus bietet allen hoffnungsfrohen Seelen eine Projektionsfläche. Jeder sieht in ihm das, was er sehen will. Viele kennen ihn ja nur vom Hörensagen. Seine Wunder haben sich rumgesprochen und nun hofft man, dass er in Jerusalem keinen Stein auf dem anderen lassen wird.
Welche Hoffnungsbilder tragen wir in uns? Wünschen wir uns auch eine Lichtgestalt, die unsere Welt in Ordnung bringt? Jemanden, der eine Wundermedizin kennt? Jemanden, der den Klimawandel aufhalten und das komplizierte Gebilde „Europa“ in Ordnung bringen kann? Stände ich dann auch mit einem Fähnchen am Straßenrand um den Retter zu begrüßen?
Jesu Bild eines Helden hat von Beginn an Risse. Statt wie ein strahlender römischer Feldherr, der mit Streitwagen und erbeuteten Schätzen in die Stadt einreitet, zeichnen die Bibel das Bild eines untypischen Königs. Statt hoch zu Ross sitzt Jesus tief auf einem Esel, dem Lasttier der kleinen Leute. Hier kommt ein Gerechter und Sanftmütiger, prophezeit Sacharja (9,9) in der hebräischen Bibel.
Die Tore Jerusalems stehen für den einreitenden Friedensfürst einladend offen, doch nur wenige Tage später wird Jesus wieder durch eines der Tore hinausgehen. Er wird sich dahinschleppen mit einem Kreuz auf den Schultern. Sein Körper wird gezeichnet sein von den Schlägen der römischen Soldaten. Am Kreuz wird es still werden, denn die Jünger werden ihren Mut verlieren und die Leute am Straßenrand ihre Begeisterung. Denn die römischen Besatzer wird Jesus nicht bezwingen. Er versucht es nicht einmal.
Dass sich die Welt von einem auf den anderen Tag ändern kann, mussten wir auch gerade erfahren. Aus einem behüteten Leben wurde die Unsicherheit des Moments. Zivilisationssorgen werden von Existenzängsten verdrängt. Wie wird es weitergehen?
Jesu Geschichte ist an ihrem Tiefpunkt nicht zu Ende. Als er stirbt, öffnet sich ein neues Tor. Die Erde reißt auf und die Toten stehen auf. Der Vorhang im Tempel zerreißt, sodass das Allerheiligste, Gottes Wohnung, sichtbar wird. Als Jesus stirbt, öffnet Gott seine Tür. Durch das Scheitern hindurch entsteht etwas Neues. Denn nicht Machtdemonstration sondern Demut und Sanftmut siegen.
Auf dieses Ziel geht Jesus zu, als er am Palmsonntag nach Jerusalem kommt. Niemand kann ihm diesen Weg abnehmen. Niemand kann auch uns unsere Wege abnehmen. Die Schritte durch den Schmerz lassen sich oft nicht überspringen. Doch der Weg führt von Palmsonntag, über Karfreitag zum Osterfest. Immer wieder bedenken Christen diesen Passionsweg, damit das Geschehen für eigene Erfahrungen transparent wird. Begrüßen wir Jesus in unserem Leben mit Palmenzweigen, damit er in jedem Leid, was uns geschieht, uns nahe sein kann und damit wir schließlich in die Osterfreude einstimmen können.