Audioandacht „Gott wohnt auf den Lobgesängen Israels“

Gedanken zum Sonntag Kantate von Pastorin Ulrike Koehn

Das gemeinsame Singen in den Chören fehlt. Den aktiven Chorsängerinnen und -sängern fehlt es besonders in der Kantorei, im Gospelchor, im Seniorenchor, im Kinderchor und in den vielen singenden Gemeinschaften in der Stadt und den Dörfern.

Audioandacht zum Sonntag Kantate, Pastorin Ulrike Koehn, Orgel Kantor Reinhard Gräler

Auch mir fehlt das gemeinsame Singen besonders im Gottesdienst. Voraussichtlich müssen wir darauf noch lange verzichten. In den letzten Wochen habe ich nur wenig allein gesungen. Das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ habe ich, wenn um 19 Uhr die Glocken läuten, angestimmt. Beim Singen geschehen besondere Dinge. Singen versetzt einen Menschen in eine besondere Spannung. Berufssänger können es wunderbar beschreiben, wie der ganze Körper beim Singen beteiligt ist. Nicht nur die Stimmbänder, Mund und Rachen, Zwerchfell und Atem sind am Singen beteiligt – und auch die Seele singt.

Die Bibeltexte für den Sonntag Kantate, was soviel heißt wie „Singet!“, nehmen entsprechend das Singen auf. So beschreibt ein Abschnitt aus dem 2. Buch der Chronik die Einweihung des Jerusalemer Tempels. Viele wichtige Menschen aus Politik, Kultur und Religion sind dazu geladen. Die Bundeslade mit den beiden Tora-Tafeln und die Stiftshütte mit ihrem Gerät werden in den neuen Tempel, den Salomon erbaut hat, gebracht. Die Prozession wird begleitet von Sängern mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und hundertzwanzig Priester, die Trompeten spielen. Mit Gesang und Musik loben sie Gott. Durch die Musik füllt sich der Tempel auf eigentümlich Weise. Die Priester haben dort kaum noch Platz. Denn Gottes Gegenwart erfüllt den Raum wie die Musik. Eine Wolke von Klängen wird zum Sinnbild für Gottes Gegenwart.

Menschen fragen, wo findet man Gott? Wohnt er in den Gotteshäusern? Wohnt er in den heiligen Schriften? Wohnt er in der Bundeslade und der Stiftshütte des Volkes Israel? Ja, Gott wohnt überall dort. Aber er ist dort nicht abstrakt „vorhanden“. Gott wohnt – so heißt es in Psalm 22,4 – auf den Lobgesängen Israels. Auf dem Gesang und der Musik seines Volkes ruht Gottes Gegenwart. Ein großartiges Bild, wie ich finde.

Der Theologe Jürgen Ebach schreibt: Gott wohnt auf den Lobgesängen Israels. Ohne diese Lobgesänge müsste Gott abstürzen. Gott gibt es nicht an und für sich. „Einen Gott den es gibt, gibt es nicht“, notiert Dietrich Bonhoeffer. Gott ist kein Gegenstand oder Sachverhalt, den es gibt oder nicht gibt.Wahrheit, von der der Glaube sprechen kann, ist keine festzustellende, sondern immer nur eine zu bezeugende. (Jürgen Ebach, Das Alte Testament als Klangraum des evangelischen Gottesdienstes S. 31)

Wo wohnt Gott? Das können wir uns in dieser Zeit, wo unsere Kirchen nur eingeschränkt zu nutzen sind, in besonderer Weise fragen. Gott kann auf unseren Lobgesängen wohnen. Auf meinem Gesang und auf meinen gemurmelten Worten. Beim Singen spüre ich es vielleicht am meisten, dass Gottes Wort die Seele berühren kann. Denn Singen geht oft tiefer als Sprechen. Es spricht das Unbewusste an und nimmt die Emotionen mit. Die Stimme, mit der man singt, ist unmittelbar. Mit ihr kann man sich nicht verstellen.

Versuchen wir es doch mal mit dem Lied von Paul Gerhard für den Sonntag Kantate – im Evangelischen Gesangbuch Nr. 302:
1) Du meine Seele, singe,/ wohlauf und singe schön
dem, welchem alle Dinge / zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den Herren droben / hier preisen auf der Erd;
ich will Ihn herzlich loben, / solang ich leben werd.

2) Wohl dem, der einzig schauet / nach Jakobs Gott und Heil!
Wer dem sich anvertrauet, / der hat das beste Teil,
das höchste Gut erlesen, / den schönsten Schatz geliebt;
sein Herz und ganzes Wesen / bleibt ewig ungetrübt.

3) Hier sind die starken Kräfte, / die unerschöpfte Macht;
das weisen die Geschäfte, / die Seine Hand gemacht:
der Himmel und die Erde / mit ihrem ganzen Heer,
der Fisch unzähl´ge Herde / im großen wilden Meer.

8) Ach ich bin viel zu wenig, / zu rühmen Seinen Ruhm;
der Herr allein ist König, / ich eine welke Blum.
Jedoch weil ich gehöre / gen Zion in Sein Zelt,
ist´s billig, daß ich mehre / Sein Lob vor aller Welt.
Paul Gerhard

Predigttext für Sonntag Kantate aus 2. Buch der Chronik, Kapitel 5,1-5.12-14:
Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten. Und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des HERRN, sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.