Spaziergang mit dem Osterevangelium

Da die Kirchengemeinde an den Ostertagen keine Gottesdienste feiern kann, finden Sie nachfolgend eine Anregung zu einem Osterspaziergang mit dem Osterevangelium. Der Text ist auch an der Kirche auf Wäscheleinen zum Mitnehmen ausgehängt und liegt im Klostergarten in den Luhegärten aus.

Den Text zum Ausdrucken im DIN A4 Format finden Sie hier: http://www.st-marien-winsen.de/wp-content/uploads/Osterspaziergang-Textblatt.pdf

Sie können den Text auch hören (z. B. während eines Spaziergangs). Nach den Bibelversen und zwischen den Station erklingt kurz Musik, Sie können dann die Wiedergabe pausieren, um die Anregungen wahrzunehmen und weiter zu gehen.

Osterspaziergang mit Pastorin Ulrike Koehn

Osterspaziergang mit Osterevangelium

Liebe Gemeinde, 
leider können wir nicht gemeinsam Ostern feiern. Es gibt keine Gottesdienste und  keine Familienbesuche, um dem Tag einen besonderen Glanz zu geben. Wir können aber einen Osterspaziergang machen – allein, zu zweit oder als Familie, die zusammen lebt. Osterspaziergänge haben eine lange Tradition. Goethes Satz ‚Vom Eise befreit…‘ ist ein geflügeltes Wort. Auch in den Ostergeschichten der Bibel wird auffällig viel gegangen. Maria Magdalena geht mit anderen Frauen zum Grab Jesu. Auf diesem Weg erfahren sie von der Auferstehung. Nicht im besonders feierlichen Moment, sondern mitten in allen Spannungen und Schwierigkeiten erleben sie den österlichen Neubeginn.
Machen Sie doch auch einen Osterspaziergang. Auf einer längeren Wanderung oder einem Spaziergang können Sie an acht selbstgewählten Orten verweilen und über Ostern nachdenken. Die Texte nehmen Impulse des Markusevangeliums (16,1-8) auf und laden zu einer persönlichen Betrachtung ein. Dieser Osterspaziergang lässt sich sogar in Gedanken zuhause am Fenster durchführen.

1. Aufbruch (Vorbereitung)
Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und Jesus zu salben.
Was brauche ich für meinen Osterspaziergang? Für einen längeren Weg brauche ich gutes Schuhwerk, eine Stärkung, Tatendrang und Unternehmungslust. Schon an meiner Haustür geht es los.
Segenswort zum Aufbruch: Brich auf. Lass los. Mache dich auf. Der Weg liegt vor dir. Sei unterwegs mit Leib und Seele und mit ganzem Herzen. Sammle auf dem Weg zum Ziel die Hoffnung für dich, für deine Mitmenschen, für die ganze Schöpfung und komme an. 

2. Bei Sonnenaufgang
Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.
Heute ist Sonntag, der erste Tag der Woche nach kirchlicher Zählung. Am Ostersonntag 2020 ist der Sonnenaufgang um 6.26 Uhr. Wer mag, kann kurz zuvor seinen Spaziergang beginnen. Auch andere Tageszeiten eignen sich für diesen Weg. Nimm wahr: Wie ist das Wetter? Wie ist das Licht? Wie sieht der Himmel aus? Wie schützt mich meine Kleidung? Wie verändert sich mein Körpergefühl nach dem Losgehen?
Gebet:Ich danke dir, mein Gott, für den neuen Tag, für die Schönheit der Erde, für den Himmel über mir, für Pflanzen, Tiere und Menschen. Lass die Strahlen deines Glanzes auf mein Leben fallen, dass die Osterfreude in mir einziehe. Amen.

3. Widerstände
Und die Frauen sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
Wer aufbricht muss Widerstände überwinden – und wenn es nur die Trägheit des frühen Morgens oder das Wetter sind. Deshalb nehme ich auf der folgenden Etappe einen Stein mit, den ich auf dem Weg finde. Bis zum nächsten Haltemoment behalte ich den Stein in der Hand. Ich wiege ihn und betrachte ihn. Was wiegt schwer? Was belastet mich? Was kann ich nicht allein tragen? Ich suche einen Platz, wo ich den Stein ablege oder wegwerfe.Gebet: Wir tragen Lasten und Verletzungen mit uns.Sie liegen auf unseren Schultern und unserer Seele wie Steine. Gott, verwandele unsere Last, heile meine Wunden. Amen.

4. Überraschungen
Und die Frauen sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.
Der Weg hält Überraschungen bereit. Was entdecke ich heute? Was bringt mich auf neue Gedanken?
Der Osterspaziergang
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden belebenden Blick,
im Tale grünet Hoffnungsglück;
der Alte Winter in seiner Schwäche
zog sich in die rauen Berge zurück.
von dorther sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farbe beleben;
doch an Blumen fehlt´s im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurück zu sehen.
Aus dem hohlen, finsteren Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heut so gern.

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selbst auferstanden,
aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus der Straßen quetschender Enge,
aus Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.
Johann Wolfgang von Goethe

5. Engelerscheinung
Und die Frauen gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.
Was begegnet mir auf meinem Weg? Es muss nicht gleich ein Engel sein, aber ein Vogel kann mir die gute Nachricht vom neuen Leben singen. Der Himmel über mir kann meinen Geist weiten. Die Luft, die in meine Lungen einströmt, belebt mich. Ich frage mich, was brauche ich?
Wer mit einer anderen Person den Weg geht, verabredet sich für eine Etappe in Stille. Lass mich langsamer gehen. Entlaste das eilige Schlagen meines Herzens durch das Stillwerden meiner Seele. Gib mir in der Verwirrung der Tage Ruhe. Löse die Anspannung durch den Wind auf der Haut. Lass mich langsamer gehen, damit ich zu der werde, die ich bin.

6. Auferstehung
Der Engel aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.
Auferstehen. Aufstehen wie aus dem Schlaf. Erwachen zu neuem Leben. Die Natur macht es mir vor. Was will in mir neu werden? Gehen kann zum Aufbruch werden. Ein Mann erzählt, dass er nach dem Tod seines Vaters den Glauben an die Auferstehung verloren hatte. Er verbrachte ein Osterfest in der Oberlausitz bei den Herrnhutern. Nach dem Gottesdienst am Ostermorgen ging die Gemeinde auf den Friedhof. Dort wurden die Namen der Verstorbenen des letzten Jahres verlesen. „Die Sonne ging auf und ich habe mir erlaubt, den Namen meines Vaters im Geiste mit zu nennen. Das hat mir geholfen, zum Auferstehungsglauben zurückzufinden.“ Ob Glaube, Erkenntnis oder die gute Idee: Sie entstehen auf dem Weg, für die, die sich aufmachen. Nicht nur zu Ostern.

7. Einander etwas erzählen
Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
Das Schöne und Schwere darf ich mit anderen teilen. Wen möchte ich heute anrufen?

8. Ankommen
Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.
Das Evangelium erzählt uns kein Happy End. Neue Erfahrungen verunsichern. Licht und Schatten bleiben. Doch ich kann meine Lebenskräfte wecken. Ich kann gehen trotz Zittern und Zagen. Zuhause kann ich eine Kerze auf dem Ostertisch entzünden. An Ostern wird der Tod ausgelacht. Das Leben siegt. Fällt mir ein Osterwitz ein? „Kuchen hat nur wenig Vitamine, deshalb muss man davon besonders viel essen.“
Ostersegen: „Der Auferstandene segne dein Leben!“