Christi Himmelfahrt

Das YouTube Video zur Predigt am Himmelfahrtstag zu Epheser 1,20b-23 finden sie HIER.

Predigt zu Epheser 1, 20b-23 am Himmelfahrtstag, St. Marien Winsen (Luhe) Pastorin Ulrike Koehn

Liebe Gemeinde, wir leben in einer Zeit des Übergangs. Die einen dürfen schon. Die anderen noch nicht. Der eine hat schon Freiheiten. Der andere hofft, dass im Herbst endlich wieder mehr möglich ist. Ein Weg ist schon zu sehen. Aber er ist noch nicht erreicht. Wir sind im Übergang.

Unser Leben steckt voller Übergängen. Immer wieder müssen wir uns auf neue Situationen einstellen – nicht nur während der Pandemie. Neun Monate dauert es, bis ein Kind geboren wird. Die werdende Mutter bereitet sich darauf vor. Wenn ein Kind in die Schule kommt, dann freut er sich schon lange zuvor darauf, dass es endlich losgeht. Die Pubertät als Zeit des Übergangs dauert für manche Eltern viel zu lang. Unser Körper und unsere Seele brauchen Zeit, um die Veränderung nachzuvollziehen.

Auch wenn ein Mensch stirbt und wir Abschied nehmen müssen, dann gibt es eine Zeit des Übergangs. Der Verstorbene ist nicht einfach weg. So etwas erleben auch die Jünger Jesu in der Zeit nach Ostern. 40 Tage dauert diese Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt, eine Zeit des Übergangs. Jesus ist nicht mehr unmittelbar bei seinen Freunden, aber sie können ihn sehen, hören, spüren. Er erscheint ihnen immer wieder. Dabei erleben sie seine Nähe. Sie entdecken ihn in Situationen, die sie bereits aus seinem irdischen Leben kannten: Beim gemeinsamen Essen, beim Fischfang am See Genezareth. „In Galiläa werdet ihr ihn sehen“, so hatten es die Frauen am Ostermorgen gehört. Und so stellt es sich ein. Diese Erlebnisse verändern die Jünger. Sie werden Menschen im Übergang.

Die Zahl 40 deutet in der Bibel immer wieder Übergänge an. 40 Jahre wanderte das Volk Israel durch die Wüste, bis es in das gelobte Land kommt. 40 Tage bleibt Mose auf dem Berg Sinai, als er die Gebote bekam. 40 Tage fastete Jesus in der Wüste, um sich auf seine Aufgabe vorzubereiten. Und nun dauert es 40 Tage bis Jesus tatsächlich geht.

Übergänge sind Verwandlungsprozesse. An unserem Äußeren und Inneren verändert sich etwas. Das braucht Zeit. Von der jungen Frau zur Mutter. Vom Kindergartenkind zum Schulkind. Vom Kind zum Jugendlichen. Krisen verändern uns in den verschiedenen Etappen unseres Lebens. So auch das vergangene Jahr. Es hat uns verwandelt. Auch wenn wir es noch nicht richtig in Worte kleiden können.

Die Jünger verwandeln sich von Schülern zum Lehrern. Sie, die Jesus die ganze Zeit nachgefolgt sind, soll nun Menschen werden, die anderen Orientierung geben. Anstatt „nachzulaufen“ sollen sie es nun „vormachen“. Dieser Wechsel braucht Zeit. Und auch Jesus selbst ist auf den Weg der Verwandlung. Himmelfahrt zieht ihn von der Erde in den Himmel. Er wechselt von einem begrenzten Ort hin zu einem universalen Raum. War der Jesus auf Erden auf seine Heimat Israel beschränkt, so wirkt der himmlische Christus nun weltweit.

Diese universale Bedeutung des Christus erzählt oder besser besingt der Predigttext aus dem Epheserbrief Kapitel 1, die Verse 20 bis 23. Ein Hymnus beschreibt Jesu Weg als eine himmlische Thronbesteigung.

Mit seiner mächtigen Stärke hat er (Gott) an Christus gewirkt, als er ihn von den Toten auferweckt hat und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und jeden Namen, der angerufen wird, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Große Worte. Fern und fremd. Der Verfasser dieser Zeilen malt ein mythisches Bild vom Himmel. Es könnte eine Gestaltungsanleitung für ein Deckengemälde einer großen Kirche sein – mit viel Blau und Gold. Wir dürfen die Worte nicht wortwörtlich verstehen, das verstellt uns heute das Verständnis. Denn hier wird nicht ein Bild des blauen Himmels gemalt, sondern bildhaft wird Jesu Bedeutung beschrieben. Nicht ein Ort, sondern Gottes Handeln wird gefeiert.

Menschen im Übergang können sich an diesen Worten stärken. Denn diese Worte wollen sagen: Habt keine Angst! Ich bin da! Trotz aller Veränderungen in dieser Welt. Die Welt ist von Christus durchdrungen. Er ist im Himmel an Gottes Seite. Es gibt keinen Ort, der nicht unter seinen Einfluss steht. Unsere Vorfahren haben das so besungen, darin fanden sie Kraft und Trost:

Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig, alles legt ihm Gott zu Fuß.
Aller Zunge soll bekennen, Jesus sei der Herr zu nennen, dem man Ehre geben muss.

Fürstentümer und Gewalten, Mächte, die die Thronwacht halten, geben ihm die Herrlichkeit;
alle Herrschaft dort im Himmel, hier im irdischen Getümmel ist zu seinem Dienst bereit.

Deshalb habt keine Angst vor niemanden! Habt Mut! Aus dem Tod heraus wurde Christus in den Himmel geholt. Aus dem Scheitern kann Gott Neues entstehen lassen. Wir werden verwandelt, auch da wo alles ausweglos scheint.

Und eine weitere Botschaft höre ich: Ihr gehört dazu! Als Gemeinde seid ihr sein Leib. Christus lebt in euch weiter. Handelt in seinem Sinne, dann findet ihr den Weg. Seid Füße und Hände dieses Leibes. Er ist das Haupt.

Ihr gehört zusammen – unter einem Himmel. Niemand ist zu klein und unbedeutend. Selbst die wenigen Christen in Ephesus bilden den Leib Christi. Diese kleine Schar. Mit all euren Stärken und Schwächen mit eurem Glauben und eurer Unzulänglichkeit repräsentiert ihr gemeinsam den Christus.

Und ein letztes: Christus erfüllt alles in allem. Alles Leben auf dieser Erde gehört in Christus zusammen. Das macht uns sensibel für die Herausforderungen unserer Zeit. Pandemiebekämpfungen und Klimaziele lassen sich nur gemeinsam erreichen. Wir sind auf einander angewiesen. Die ganze Schöpfung ist von Christus durchdrungen. Wir dürfen es sehen lernen. Egal wohin du blickst – auf die Erde, in das Gesicht des Mitmenschen oder in den Himmel – in allem ist Christus. Das Fest der Himmelfahrt ist ein Ausdruck davon. Amen.

In meiner Lieblingsstrophe des Liedes „Gott ist gegenwärtig“ heißt es in der 5. Strophe: Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben,
 Meer ohn Grund und Ende, Wunder aller Wunder: 
ich senk mich in dich hinunter.
 Ich in dir, du in mir, lass mich ganz verschwinden,
dich nur sehn und finden.