Nachfolgend finden Sie zum Nachlesen die Predigt von Pastor Ulrich Hahn vom 9.8.2020 im Rahmen der gemeinsamen Sommerkirche von St. Jakobus und St. Marien Winsen (Luhe).
Mit Jesus über die Dörfer
Vorbemerkung: Natürlich weiß jeder Skatspieler, was mit dem Titel gemeint ist. „Über die Dörfer gehen“, das heißt „nicht den Trumpf ziehen“, wenn die anderen es erwarten. Die anderen fragen sich dann, was los ist. Wo soll das hinführen?
Das haben sich die Verantwortlichen bei Jesus bestimmt auch gefragt. Da kommt einer an, verkündet, dass jetzt Gottes Reich anfängt – aber er verkündet das nicht in Jerusalem, wo es eigentlich hingehört, sondern irgendwo im Land, weit weg, in Galiläa, beim See Kinneret, Genezareth, wie wir früher gesagt haben.
Was will er? Worauf läuft das hinaus?
Ich stelle mir jemand vor, der zu den Verantwortlichen damals gehört. Was würde sich der für Gedanken machen? Ich nenne ihn Simon und stelle mir diese Gedanken vor.
Man hört von Heilungen. Soll man das glauben? Na gut, von Heilungen hört man öfter. Man hört, dass er „redet wie einer, der Vollmacht hat“ – wahrscheinlich ein begabter Rhetoriker. Aber jetzt mal ehrlich: die Menschen könnten ja auch auf uns hören. Man hört von Jüngern, die ihn begleiten – das ist normal, jeder, der einigermaßen gut ist, sammelt Menschen um sich, die jedes Wort hören wollen, was er sagt.
Ich hoffe nur, er verführt das Volk nicht. Ich möchte, dass Israel weiter seinen Weg mit Gott geht – die Leute sollen nicht jedem hinterherlaufen.
Am Besten mache ich mir selbst ein Bild. Ich möchte wissen, warum Jesus „über die Dörfer“ geht. Warum kommt er nicht nach Jerusalem, dahin, wo die Musik spielt.
Und Simon fasst einen Entschluss. Er geht auf die Suche nach diesem Jesus.
Simon packt seine Sachen, lädt sie auf einen Esel und zieht von Jerusalem in den Norden. Zwei stramme Tagesreisen sind es, bis er in Magdala am See Kinneret ankommt. Er sucht eine Herberge und erkundigt sich: wo könnte ich diesen Jesus finden?
An dieser Stelle erschrickt Simon ein bisschen vor seiner eigenen Courage. Wenn ich diesem Jesus begegne, was soll ich ihn denn dann fragen? Wie kann ich mit ihm auf eine gute Weise ins Gespräch kommen.
An dieser Stelle bitte ich Sie, euch, für einen Moment Simons Rolle u schlüpfen: Was würden Sie, was würdest Du Jesus gerne fragen?
Zum Glück weiß der Wirt der Herberge, in welcher Richtung Jesus gesehen worden ist. Simon isst zu Abend und fragt sich: werde ich ihn finden? Wie wird es sein, ihm zu begegnen?
Am nächsten Morgen macht er sich weiter auf den Weg – jetzt ohne Esel und viel Gepäck, es ist ja hoffentlich nicht mehr weit. In dem Dorf, das der Wirt genannt hat, hört er: Im Nachbardorf, eine Meile weiter, da müsste er jetzt sein. Er geht dorthin und sieht eine Menschenansammlung – und er hört jemand reden. Vielleicht das Evangelium, das Christine Arndt vorhin gelesen hat: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Den fand einer und vergrub ihn wieder. Und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft sich jenen Acker.
Weiter: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Händler, der schöne Perlen suchte. Als er aber eine besonders kostbare Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er hatten, und kaufte sie.
Unser Mann wartet. Er sieht: Jesus macht sich auf den Weg, mit seinen Jüngern. Viele Menschen folgen ihm. Offenbar geht Jesus weiter.
Simon mischt sich unter die Leute und versucht, sich in seiner Nähe zu halten. Vielleicht gelingt es ihm ja doch, in einem ruhigen Moment seine Frage zu stellen.
Aber jetzt sind seine Jünger um ihn – doch, da, er sondert sich ein bisschen ab. Er geht auf ihn zu – aber ein anderer ist schneller. Doch er bleibt dran.
„Meister,“ fragt der andere, „Ich komme von Johannes dem Täufer, der im Gefängnis sitzt. Ich soll dich fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder kündigst du ihn nur an, wie Johannes?“
Simon ist gespannt. Das ist ja eine ähnliche Frage. Wenn er sich für den Messias hält, dann muss er über kurz oder lang nach Jerusalem kommen. Was wird er antworten?
Jesus antwortet: „Geh hin und sag Johannes, was du siehst: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird das Evangelium verkündet und selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.
Dann wendet sich Jesus ab. Es ist sehr deutlich, dass er jetzt nicht reden möchte. Kein Wunder, denkt Simon, er hat ja auch den ganzen Tag geredet.
Und meine Frage? Warum geht er über die Dörfer. Worauf läuft das Ganze hinaus?
Das habe ich verstanden, dass es auf das Reich Gottes ankommt. Wie auf einen großen Schatz im Acker. Mehr als auf alles andere– dass Gott regiert. Und ich habe verstanden, dass das Reich Gottes etwas ist, was für die Menschen einen Unterschied macht: „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote werden auferweckt“, hat Jesus gesagt.
Und da er eigentlich recht: Gerade die Armen, die leben bei uns auf dem Land. Die müssten es merken, das Reich Gottes. Wenn ich das so verstehe, dann muss Jesus über die Dörfer gehen.
Ich bin gespannt, wie das weiter geht mit diesem Jesus und dem Reich Gottes.
Wir verlassen Simon, unseren Erzähler.
Eine letzte Frage noch: Wie ist das heute mit dem Reich Gottes, für Dich und mich?
Pastor Ulrich Hahn, St. Jakobus Winsen (Luhe)